Buch 'Satiren, fidel und artgerecht'
Ein Natura-Beef-Rind und ein artgerecht gehaltenes Schwein tummelten sich auf einer Magerwiese.
Sprach das glückliche Rind zum artgerechten Schwein: «Wie geht es dir?»
Sprach das Schwein: «Ich gehe meinem Spieltrieb nach, mir geht es gut. Ich tummle in der Wiese mich, wühl' im Dreck und beiße keinem Artgenossen mehr den Schwanz, die Ohren oder sonst was ab.»
«Ei, in der Tat, ein gar schönes Leben», sagte drauf das Rind, «wenn Kuh und Stier bedenkt, wie Tausende von deinesgleichen noch immer in diesen Wohn- und Mastgemeinschaften der Erlösung auf der Schlachtbank harren.»
«Und», sprach drauf das Schwein, «wie ist denn dein Befinden?»
«Ich lebe hier in vollster Harmonie mit der Natur», erwiderte die Kuh, «setz' mageres, zartes Fleisch mir an, das nicht gleich schrumpft, wenn es in heißem Öl gebraten wird.»
«Wahrlich ein glücklich Leben, artgerecht gedeihend, so zartes Fleisch an sich zu spüren, auf dass die Menschen mehr Genusses sich erfreuen, wenn sie uns nach tiergerechter Haltung zerlegen, marinieren, braten und grillen», grunzte das auslaufgewohnte Schwein. «Der Mensch er liebt uns sehr, das dürfen Sau und Eber nie vergessen»
«Ein wahres Wort gelassen ausgesprochen und zwar in jeder Form», bestätigte das Rind.
«Ob Brust, ob Schulter, Rippe, Bein, ob Niere, Leber», sprach das Schwein, «sie essen alles.»
«Auch uns als Rinder geht es da nicht besser, der Mensch, der ist ein Allesfresser.»
Sie hätten wohl noch lange räsoniert, wenn nicht ein Freilandhuhn sie gackernd aufgestöbert hätte.
«Ei sieh, wer kommt denn da so eilig angeflattert», sprach das Schwein und liess das Scharr'n in ungedüngtem Boden sein.
«Grüss Gott ihr zwei», liess gleich das KAG-Ei-Huhn vernehmen, «wie geht's, wie steht's? Ich glaube bald könnt ihr dem Menschen Dankbarkeit bezeugen, dass er euch so tiergerecht gehalten hat.»
«Wie denn das, was soll'n wir tun?» sprach das Natura-Beef zum Huhn.
«Ihr müsst nichts tun, ihr habt es schon getan, das zarte Fleisch scheint wohl gewachsen, ohn' Chemie sind eure Filets, Koteletts und Haxen», ereifert sich begeistert unser Huhn, «und morgen gibt es hier auf diesem Hofe viel zu tun, nicht für euch, doch für die Menschen, die da sind.»
«Ei, ei, ist schon der Metzger hier?» frug voll Erwartung unser junges Rind.
«Morgen mittag kommt er auf die Stör», erwiderte das Federvieh.
«Ja, ist es denn jetzt schon so weit?» fragt'mit dem Tode konfrontiert nun das fidele Schwein.
«Ja», sprach das Huhn, «jedoch könnt ihr für diese Nacht noch etwas wünschen, dass euch den Tod erleichtern soll. Ich für meinen Teil, hab mich schon entschieden: ich will die letzte Nacht in einer Legebatterie verbringen.»
«Und ich in einem Kastenstand auf einem Spaltenboden liegen", erwiderte das Schwein.»
«Unterm Elektrotrainer möcht ich stehen und meine abgesägten Hörner wiederkäuen», wünschte sich das Rind.
Wie nicht anders zu erwarten, wurden sie anderntags artgerecht geschlachtet. @Hans Suter
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