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Leseprobe: Satiren, fidel..

Buch 'Basler Farben'

Die Sonne war nun endgültig hinter der Großbasler Häuserzeile untergetaucht und Max schnippte den Zigarettenstummel auf seine ihm gewohnte Weise in den Rhein. Er stand auf und ging den Klingentalgraben hoch, die Nummer... zu suchen. Es war ein Wohnblock aus den fünfziger Jahren, schlicht und hässlich. Auf den Balkonen der gewohnte Krimskrams, Koniferen in Eternitkistchen und jetzt, in der Vorweihnachtszeit, einige Tannenbäume mit farbigen, leuchtenden und blinkenden Kerzen. Auf dem einen Balkon saß, in einem der Blumenkistchen, ein Zwerg- Sankt- Nikolaus, der von innen beleuchtet war. Bei der Nummer... trat Freuler ins Treppenhaus ging zum ersten Stock und läutete bei Spadola. Luigi öffnete die Türe. "Grüß Gott," sagte Freuler."Guten Tag, Sie wünschen?" "Mein Name ist Freuler, Kriminalpolizei, darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?" "Fragen, was für Fragen?"
"Es handelt sich um Ihren ehemaligen Chef." "Schwarzenbach? Bitte kommen Sie rein." Spadola öffnete die Tür zu einer einfachen Dreizimmer-Wohnung mit groß gemusterten Spannteppichen. Luigi führte ihn ins Wohnzimmer, wo eine gelbe Kunstleder- Polstergruppe und eine große Wohnwand den Raum zierten. Der Fernseher lief. Luigi stellte ihn etwas leiser. "Nehmen Sie Platz. Möchten Sie auch ein Bier?" Max setzte sich und sagte: "Danke, nein."
Luigi öffnete für sich eine Flasche und fragte: "Um was handelt es sich?" "Sie kennen sicher Schwarzenbachs Adoptivtochter?" "Carmen? Was ist mit ihr?" Am Tonfall, wie er diesen Namen aussprach, war unschwer zu erkennen, wie gut er sie mochte. "Bis jetzt nichts, aber Schwarzenbach hat einen Anruf bekommen, sie sei entführt worden, was aber nicht stimmt. Sie ist wohlbehalten im Internat. Irgendjemand hat sich einen schlechten Scherz erlaubt."
"Und Schwarzenbach hat Ihnen erzählt, dass wir eine unangenehme Begegnung hatten." "So ungefähr." "Und Sie glauben, dass ich es war, der sich diesen Scherz erlaubt hat?" "Ich glaube gar nichts, aber vielleicht haben Sie irgend eine Ahnung?" "Ach wissen Sie", meinte Luigi, "da gibt es so viele Leute, die den nicht mögen." "Welche denn?", wollte Freuler wissen. " "Da sind erst mal die Behörden, mit denen er dauernd auf Kriegsfuss stand, dann all die vielen Leute, die er entlassen hat, als er einen großen Teil seiner Produktion einstellte. Außerdem ist er selbst bei seinen Fabrikantenfreunden nicht besonders beliebt. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass einer von denen sich diesen makabren Scherz erlaubt hat. "Nicht sehr aufschlussreich", meinte Max, "aber wir müssen das jedenfalls ernst nehmen, Schwarzenbach hat schon einen zweiten Anruf mit Forderungen erhalten." "Wenn es sich nicht um Carmen handelte, würde ich sagen, ich hab kein Mitleid mit ihm." "Aber ich bitte Sie, haben Sie keine Kinder?" "Doch, Ja." "Na also, das wär's, wenn Ihnen noch was einfällt, rufen Sie mich bitte an!" Freuler überreichte ihm seine Visitenkarte. "Selbstverständlich, wenn es um Carmen geht, immer", versicherte Spadola.
Draußen war es inzwischen Nacht geworden und Max wandte sich erst Richtung Rhein, entschied dann aber anders, ging durch den Klingentalgraben bis zum Eingang der Kaserne. Dort war gerade ein Flohmarkt im Gange. Fremdländisch aussehende Menschen verkauften nebst Geschirr, Werkzeugen und Haushaltgeräten auch elektronische Apparate wie: CD-Player, Videogeräte, Kassettenrekorder, Verstärker und Lautsprecherboxen. Inmitten von wirklich veralteten Modellen waren aber auch solche der neuesten Generation. Vielleicht von einem letzten Einbruch? Ob das jemals überprüft wurde? Freuler ließ es dabei bewenden und ging zum Claraplatz. Er überlegte sich, ob Luigi Spadola vielleicht doch imstande wäre, seinen Chef von dem er ja wirklich nicht die beste Meinung hatte, mit solchen Anrufen zu terrorisieren? Max konnte es sich nicht vorstellen. Er ging über die Mittlere Brücke zum Marktplatz, den Spalenberg hoch, heimwärts.
Die Leiche wurde auf Schweizer Boden angeschwemmt; gegenüber dem Dreiländereck. Drei Meter weiter flussabwärts wäre sie auf deutschem Boden gelandet. Ein Matrose eines Frachtkahns, der vom Kleinhüninger- Hafen 1 Richtung Rotterdam ablegte, hatte den Toten Dienstag früh entdeckt und sofort die Polizei alarmiert. Zwei Uniformierte waren sogleich zur Stelle, hievten den Körper aus dem Rhein und legten ihn ans Ufer. Freuler erhielt den Anruf noch zuhause und ließ sich von dort mit einem Dienstwagen zur Deutschen Grenze bei Weil fahren. Der Mann war ungefähr 40 Jahre alt und hatte eine Glatze. Die ersten ärztlichen Untersuchungen ergaben, dass er schon längere Zeit tot und offensichtlich keine Gewalt im Spiel gewesen war. Die Leiche wurde umgehend zur genaueren Abklärung ins gerichtsmedizinische Institut gebracht. Die Identität des Toten war schnell geklärt, seine Ausweispapiere steckten praktisch unversehrt in seiner Jacke. Er hieß Reinhard Schürch und war Koch im nahe gelegenen Schifferhaus gewesen, das ging aus weiteren bei ihm gefundenen Dokumenten hervor.
Freuler kannte das Restaurant gut. Er fuhr zur Hiltalingerstraße, bog dann rechts in den Weiherweg, der zum Schifferhaus an der Bonergasse führte. Eigentlich erstaunlich, dachte Freuler, inmitten dieser Hafenlandschaft, mit ausgedienten Lagerhallen, unkrautüberwucherten Geleiseanlagen, in einer Gegend, die teilweise den Anschein eines Niemandslandes vermittelte, ein solches Nobelrestaurant vorzufinden. Ein hoher schmiedeeiserner Zaun umgab das ganze Grundstück, worin das leicht barock anmutende Gebäude stand. Im Sommer wurde hier auch in einem großen Gartenrestaurant bedient. An einem Nebengebäude, das jeweils als Buffet diente, hingen Schiefertafeln worauf die mit Kreide hingeschriebenen Preise von Grillspezialitäten noch nicht weggewischt waren. Vom reich verzierten Gartentor bis zum Eingang des Restaurants war ein roter Teppich ausgelegt, etwas verwittert und vergilbt zwar, aber er gemahnte doch an die hier verkehrende finanzkräftige Klientel. Freuler stellte seinen Dienstwagen auf einen der Gästeparkplätze und zündete sich erst mal eine Zigarette an, ohne auszusteigen. Er überlegte, ob er sich sogleich offiziell anmelden, oder sich erst ganz einfach als Gast ins Restaurant setzen soll, um einen Kaffee zu trinken. Er entschied sich für das Zweite. Max ertappte sich dabei, wie er eben den Zigarettenstummel auf gewohnte Art und Weise aus dem Fenster schnippen wollte, überlegte es sich aber anders und drückte ihn im Aschenbecher aus, stieg aus dem Wagen und ging auf dem von Feuchtigkeit durchtränkten roten Teppich zum Restaurant. Dort setzte er sich im vorderen Teil des Wirtshauses an einen der Holztische und bestellte sich einen Espresso. Es sah gar nicht so nobel aus, wie er das erwartet hatte. Durch einen Durchgang blickte er in einen Nebenraum, wo zwei Frauen altertümlich anmutende Holztische für das Mittagessen herrichteten. Hinter dem Buffet waren aufgeregte Stimmen zu hören und eine elegant gekleidete Frau ging nervös durch den Raum, zu einer Türe, hinter der sich die Küche befand. Diese wurde von innen geöffnet und für einen Moment konnte Max zwei Tamilen mit weißen Mützen erblicken. Nach kurzer Zeit kam die Frau wieder raus, Freuler erhob sich, ging auf sie zu und sagte: "Entschuldigen Sie, mein Name ist Freuler, sind Sie vielleicht die Wirtin?"
"Ja", antwortete sie hastig. "Ich bin von der Kriminalpolizei, kann ich einen Augenblick mit Ihnen sprechen?" Sie stutzte. Kriminalpolizei? gehen wir in mein Büro."
Sie schien nichts Gutes zu ahnen und führte ihn aus der Gaststube in den Eingangsflur, von dort die Treppe hoch in den ersten Stock, wo sich auch noch Räume für intimere Bankette befanden. Dort in einem kleinen Zimmer hatte die Wirtin ihr Büro eingerichtet. Außer einem Pult mit PC und einigem Papierkram standen in einer Ecke noch zwei Ledersessel und ein Clubtisch. "Wollen Sie sich nicht setzen?"Max setzte sich in einen der Ledersessel. "Ist etwas mit dem Koch? Wir haben uns schon gewundert... "Wie heißt Ihr Koch?" "Schürch, Reinhard Schürch", sagte die Wirtin halb ängstlich, halb erwartungsvoll. @Hans Suter

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