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Brillen
«Venedig wäre schön», rief Hugo zur Küche hin, während er in Reiseprospekten die Bilder anschaute.
«Aber nicht im Hochsommer», rief Alma zurück. Sie erwarteten Besuch von Margot und Hannes, um zusammen die bevorstehenden Ferien zu besprechen.
«Wo willst du denn hin, nach Grönland oder was. Was machst du in der Küche, die sind doch nicht etwa zum Essen eingeladen?»
«Nein! Ich suche meine Brille.»
«Welche Brille?»
«Welche Brille? Dumme Frage!»
«Wo hast du sie denn hingelegt?»
«Das weiss ich eben nicht mehr.»
«Weshalb hast du sie abgenommen?»
«Ich war auf dem Klo, da brauch ich keine Brille.»
Kurz zuvor hatte Alma Hugo die Prospekte in die Hand gedrückt und war aufs stille Örtchen gegangen.
«Vielleicht auf der Garderobe», meinte Hugo.
«Auch nichts!»
«Wart, ich helfe dir!» Nun fand aber Hugo seine Brille auch nicht. Er suchte überall im Wohnzimmer, während Alma in der Küche im Flur und gar im Klo nachschaute; sie könnte ja vergessen haben, dass sie die Brille doch dorthin mitgenommen hatte.
«Hast du deine schon gefunden?», rief sie.
«Wie denn, ohne Brille!», antwortete Hugo genervt. Es klingelte an der Haustüre. Margot und Hannes standen davor.
«Schaut, was ich mitgebracht habe», sagte dieser und raschelt mit einer handvoll Reiseprospekten.
«Erst müsst ihr uns helfen die Brillen zu finden!», meinte Hugo in scherzendem Ton.
«Beide?», fragte Margot erstaunt.
Alma sagte, dass sie ihre Weitsichtbrille irgendwohin gelegt habe und auch Hugo seine Lesebrille nicht mehr fände. Margot meinte, sie kenne dieses Problem von ihrer Mutter, die habe auch immer vergessen, wo sie ihre Brille hingelegt habe. Einmal hätte sie zu ihr gesagt, es sei eigentlich erstaunlich, dass sie die Brille nicht fände, denn die sitze auf ihrer Nase.
Die zwei Besucher wurden von Alma ins Wohnzimmer geführt, wo sie sich aufs Sofa setzten. Hannes meinte, wenn Hugo doch kurzsichtig sei, soll er doch mal von weitem suchen, vom Garten aus zum Beispiel.
Darauf machte Hugo: «Ha,ha» und suchte weiter.
«Wann hast du die Brille zuletzt getragen?», versuchte Margot den Ablauf für Alma zu rekonstruieren.
«Bevor ich ins Klo ging, hab ich Hugo schon erklärt.»
«Liest du nie auf dem Klo? », wollte Hannes wissen.
Alma fand, es gäbe schönere Orte, um zu lesen und zudem sei sie ja kurzsichtig, ob er das schon wieder vergessen habe.
«Hannes nimmt die Brille immer mit aufs Klo», verriet Margot.
«Die Brille ist gut.»
Ob er denn mehrere habe, wollte Hugo wissen.
«Fünf, alles Lesebrillen», liess Margot verlauten.
«Alles dieselben», erklärte Hannes: «Eine auf dem Esstisch, eine beim Bett, eine im Klo, eine in der Tasche und eine Reservebrille im Schrank». Also habe er überall eine, wo eine gebraucht würde, meinte Hugo.
Alma die immer noch auf der Suche gewesen war, kam plötzlich triumphierend aus der Küche und rief: «Hugo, ich habe eine Brille gefunden!» «Welche?» «Deine!»
«Wo war sie?»
«Rate mal!»
«Keine Ahnung.», meinte er, nahm die Brille und wunderte sich, weshalb die Gläser beschlagen waren.
«Im Kühlschrank!», bemerkte Alma amüsiert.
  «Wer kommt denn auf so eine saublöde Idee, meine Brille…»
«Wer wohl? du selber», wies Alma jede Schuld von sich.
«Ich kann mich nicht erinnern.»
«Das glaub ich dir», mischte sich Margot ein, «meine Mutter hat ihre Brille sogar mal im Backofen vergessen, weshalb sie die da rein getan hatte, blieb auch völlig im Dunkeln, jedenfalls irgendwann fing es an zu riechen und die Brille samt Apfelkuchen landeten im Abfalleimer.»
überall eine Brille, meinte Hannes, somit könne ihm so etwas kaum passieren. «Dass du die im Kühlschrank oder Backofen liegen lässt ist eher unwahrscheinlich, wer kümmert sich denn ums Essen», meinte Margot, «dein Problem ist die Logistik. Kürzlich wollte er lesen, war aber keine Brille auf dem Tisch, auch keine in der Jacke und keine beim Bett, sogar die Reservebrille im Schrank fehlte. Aus lauter Ärger ging er aufs Klo und da waren sie, alle fünf! @Hans Suter
Laptöppler
Hugo ist Zugfahrer. Er geniesst es zu dösen, zu lesen oder aus dem Fenster zu schauen. Neben ihm hat einer den Laptop aufgeklappt und das Rollo hinunter gezogen, weil die Sonne durch das Fenster schien und er seine wichtigen Daten und Dokumente auf dem Screen schlecht lesen konnte. Aber Hugo würde gerne die vorbeiflitzende Landschaft betrachten. Wie soll dieser Konflikt gelöst werden? Muss Hugo unbedingt aus dem Fenster schauen? Muss im Zug unbedingt gearbeitet werden? Fahrzeit sei jedoch Geld, meint der Läptöppler und irgendwie müssten die teuren Fahrkosten wieder erarbeitet werden. So prallen die gegensätzlichen Interessen gnadenlos aufeinander. Soll nun der fleissige Notebookarbeiter auf seine Tätigkeit verzichten? Soll Hugo das Rollo betrachten, geradeaus schauen oder selber einen Laptop mit in den Zug nehmen? Wer weiss, vielleicht lösen die SBB irgendwann das Problem auf ihre Art und bringen Aussenkameras an den Waggons an, so dass Hugo und alle andern Fenstergucker unter www.zumfensterhinausschauen.sbb.ch die vorbeiflitzende Landschaft auf dem Bildschirm betrachten können. Und Läptöppler die im Zug arbeiten müssen, können sich in ihrer Freizeit den Ausblick aus dem Zugsfenster sogar als Podcast herunterladen. @Hans Suter

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